Relokalisieren, um weniger anfällig zu sein
Olivier Lluansi: Partner bei Strategy& PwC France
Denken Sie, Relokalisierungen sind möglich?
Ja, aber ebenso wichtig wie die Rückverlagerung vormals ins Ausland ausgegliederter Produktionsbereiche ist der Aufbau neuer Produktionskapazitäten in Frankreich und Europa. Man muss es Unternehmen ermöglichen, lokale Beschaffungsstrategien zu verfolgen. Sie haben verstanden, dass Einkäufe am anderen Ende der Welt sie verwundbar machen. In vielen Fällen können alternative Zulieferer in der Region oder in Frankreich identifiziert werden und wir helfen den Unternehmen, diese zu orten. Reshoring sollte jedoch nicht dem Selbstzweck dienen, denn die Wettbewerbsfähigkeit der Firmen hat immer oberste Priorität. Glücklicherweise zeigen die verschiedenen industriepolitischen Maßnahmen der letzten zehn Jahre erste Erfolge und „Made in France“ wird wieder wettbewerbsfähig.
Welche Branchen bieten das größte Potenzial?
Potenzielle Bereiche sind insbesondere das Gesundheitswesen, die Pharma-, Lebensmittel- und Elektronikbranche und die verarbeitende Industrie (Metallurgie, Kunststoff, Transportmittel, Papier). Jedoch geht es mehr um Produkte als um Branchen. Nehmen wir zum Beispiel die Elektronikbranche: in Frankreich hergestellte Elektronikkarten sind vollkommen wettbewerbsfähig, nicht aber ihre Bauelemente. Wir haben eine Studie* durchgeführt, welche 58 Produktgruppen auflistet, die sich am besten für eine Relokalisierung nach Frankreich eignen würden. Das Reshoring von lediglich 20 % dieser lmporte würde die Lieferketten sichern und die Schaffung von mehr als 75 000 direkten Arbeitsplätzen ermöglichen.
Welche Mittel müssen bereitgestellt werden, um Reshoring zu fördern?
Die Gebietskörperschaften können dabei eine wichtige Rolle spielen, indem sie bei Ausschreibungen die CO2-Bilanz der Unternehmen berücksichtigen, wodurch logischerweise lokale Zulieferer begünstigt würden. Mit Hilfe verschiedener Fördermittel und ihrer Entwicklungsagenturen können sie zudem Firmen dabei unterstützen, in ihrer Region zu investieren. Nicht zuletzt müssen auch Anreize für Verbraucher geschaffen werden, lokalen Produkten den Vorrang zu geben, damit aus Konsumenten wahre „Konsumakteure“ werden.
Das Gespräch führte Patrick Heulin
* Studie von PwC und CNA: « Relocalisation des achats stratégiques »