facebook icon
Suche

Aufkauf von Unternehmen vor Gericht: eine profitable Strategie, externes Wachstum zu generieren

Aufkauf von Unternehmen vor Gericht: eine profitable Strategie, externes Wachstum zu generieren

Catherine Wernert – Anwältin – Expertin für Insolvenzverfahren bei Valoris Avocats

Unter welchen Bedingungen lassen sich Vermögenswerte eines insolventen Unternehmens vor Gericht veräuβern?

Sobald ein Betrieb zahlungsunfähig wird, ist er gesetzlich dazu verpflichtet, binnen 45 Tagen beim Gericht einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen: entweder ein Schlichtungsverfahren, das auf eine Einigung mit den Gläubigern abzielt, oder ein gerichtliches Sanierungsverfahren oder sogar Abwicklungsverfahren. Dies ermöglicht eine Fortführung der Geschäftstätigkeit, durch das Einfrieren von Verbindlichkeiten, die vor Verfahrenseröffnung entstanden sind. Das betroffene Unternehmen kann dadurch etwas frische Luft tanken und hat maximal zehn Jahre Zeit, einen Sanierungsplan auf die Beine zu stellen.

Die andere Möglichkeit, auf Beschluss des Gerichts, ist die Erstellung eines Plans zur Veräuβerung von Vermögenswerten.

Wie ist der Ablauf dieses Verfahrens?

Bei Eröffnung des Verfahrens nimmt der gerichtlich bestellte Verwalter (administrateur judiciaire) eine Ausschreibung vor, um potenzielle Käufer zu finden, die interessiert sind an einer Übernahme von Vermögenswerten (und nicht Wertpapieren) des angeschlagenen Unternehmens. Gegen Unterzeichnung einer Vertraulichkeitserklärung erhalten die Kandidaten Zugang zu Finanzunterlagen des Unternehmens, um ihr Übernahmeangebot unterbreiten zu können. Die endgültige Auswahl der Erwerber erfolgt durch das Gericht. Hierbei sind folgende Kriterien ausschlaggebend: die Fortführung der Geschäftstätigkeit und somit die Zahl der erhaltenen Arbeitsplätze, die wirtschaftliche Tragfähigkeit des vorgelegten Projektes, aber auch die nötige Finanzkraft, um Forderungen von Gläubigern begleichen zu können.

Was sind die Vorteile für den Übernehmer?

Für den Übernehmer ist dies eine wirklich gute Gelegenheit, externes Wachstum zu generieren, denn er kann diejenigen Aktiva wählen, die ihn interessieren (Vertrag, Zahl der Angestellten, materielle Vermögenswerte,…), ohne die Forderungen der Gläubiger des insolventen Unternehmens begleichen zu müssen. Zudem kann er den Preis selbst bestimmen: wird sein Angebot akzeptiert, kann er Vermögenswerte zu deutlich geringeren Kosten erwerben als im Falle einer klassischen Veräuβerung von Handelsgeschäften oder Wertpapieren – ein Deal, der sich auszahlt!

Gibt es Beispiele aus dem Elsass?

2019 wurde für den Busvertrieb Dietrich Carebus mit Sitz in Ingwiller ein Insolvenzverfahren eingeleitet. Sein Hauptzulieferer, der türkische Fahrzeughersteller Temsa, reichte ein Übernahmeangebot ein, das vom Gericht ausgewählt wurde. Dies ermöglichte den Erhalt von 54 Arbeitsplätzen.

Das Gespräch führte Patrick Heulin