Insolvenzverfahren in Frankreich: bei der Krisenbewältigung eine aktive Rolle übernehmen!
Nathalie Guyomard, gerichtlich bestellte Verwalterin(administratrice judiciaire) – Cabinet Selas – C.M. Weil & N. Guyomard
□ Beobachten Sie infolge der Krise eine starke Zunahme von Unternehmensausfällen?
Ganz im Gegenteil, die Zahl der Verfahren ist ungewöhnlich niedrig. Das liegt daran, dass Entscheidungen durch die verschiedenen begleitenden Hilfsmaßnahmen oft künstlichhinausgezögert werden. In diesen ungewissen Zeiten ist es schwierig für Unternehmer, sich zu entscheiden, die Insolvenz zu beantragen. Im September wird sich dies wahrscheinlich ändern, sollte die Auftragslage entsprechend gering sein.
□ Worin unterscheidet sich ein Sanierungsverfahren von einem Schutzverfahren (procédure de sauvegarde)?
Im Gegensatz zum Sanierungsverfahren ist das Schutzverfahren (auch Rettungsverfahrenoder Verfahren zur Ergreifung von Schutzmaßnahmen), allein schon aufgrund des Namens, für Unternehmer viel leichter zu akzeptieren, da es nicht als persönliches Versagen erlebt wird. Es verhindert zudem, dass die Firma gegen den Willen des Geschäftsführers an Dritte veräußert wird. Vor allem aber wird der Unternehmensleiter während der zwölfmonatigen Beobachtungsphase und des zehnjährigen Schutzplans unter den Schutz des Gerichts gestellt. Einzige Bedingung ist, dass die Firma noch nicht zahlungsunfähig sein darf. Daher ist ein hohes Maß an Antizipation gefragt. Leider wird dieses überaus vorteilhafte Verfahren von vielen verkannt: es stellt nur 10 % aller Fälle dar.
□ Wie kann eingerichtlich bestellter Verwalter eine Liquidation verhindern?
Unabhängig vom gewählten Verfahren unterstützt ereine finanziell angeschlagene Firma bei ihrer Umstrukturierung, im Rahmen eines Plans, der die Betriebskontinuität gewährleistet. Unbedingtes Ziel ist es, dem Unternehmen bis zum Ende der zwölfmonatigen Beobachtungsphase wieder zu Rentabilität zu verhelfen: die Verbindlichkeiten werden eingefroren, die Kosten für Abfindungen und Kündigungsentschädigungen werden übernommen von der AGS, der Vereinigung zur Sicherung von Lohn-und Gehaltsforderungen der Arbeitnehmer(Association pour la gestion du régime de Garantie des créances des Salariés). Des Weiteren stehen zur Zielerreichung sämtliche Bestimmungen zur Verfügung, die das französische Handelsgesetzbuch vorsieht.
□ Was raten Sie einer Firma, die in finanziellen Schwierigkeiten steckt?
Das Wichtigste ist, nicht den Kopf in den Sand zu stecken. Ein Insolvenzantrag kann eine gute Krisenmaßnahme sein. In solch einer Situation gilt es, mit Weitblick zu handeln und vor allem den Rat von Experten einzuholen. Wir verfügen über eine einzigartige Palette an Werkzeugen, die Unternehmen vor dem Bankrott retten können. Man muss sie nutzen!
Das Gespräch führte Patrick Heulin